Schoritzer Geschichte

Arndt-Geburtshaus in Groß Schoritz

 

Der südwestlichste Zipfel der Insel Rügen hat nichts mit Jasmund oder Mönchgut gemein, doch übt er bis heute eine starke Anziehungskraft für Wanderer und Fahrradfahrer aus. Es ist die Heimat des Rügener Ernst Moritz Arndt.

Hier in Groß Schoritz, am Nordrande der gleichnamigen Wiek wurde um 1750 von einem Herrn von Kahlden ein Gutshaus erbaut. Das eingeschossige verputzte Backstein-Traufenhaus mit Frontispiz und einem Krüppelwalm-Mansardendach mit seinem auf der Rückseite befindlichen Fachwerkflügel wechselte schon bald seinen Besitzer. Dem Generalgouverneur Axel Graf von Löwen folgte Malte Graf und Herr zu Putbus. Und dieser Umstand wollte es, dass Ludwig Nikolaus Arndt als Inspektor des Schoritzer Gutes wirkte.
1769 wurde für ihn zu einem bedeutenden Jahr. Als Leibeigener des Putbusser Grafen, wurde er freigelassen und „Am Schlusse des zweiten Weihnachtstages des Jahres nach der Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi 1769.“ erblickte sein Sohn Ernst Moritz das Licht der Welt. Doch lassen wir ihn selbst – siebzig Jahre später – über Schoritz zu Wort kommen: „Schoritz war denn höchst anmutig hart an einer Meeresbucht gelegen, welche die Halbinsel Zudar von der größern Insel abschneidet! Ein neues, noch glänzend geschmücktes Haus, ein großer Blumengarten und mehrere Baumgärten; dicht daran eine ganz kleine Halbinsel, die aber bei hoher Sturmflut oft zu einer Insel ward, mit hohen Eichen bepflanzt, worauf wir unsere Sommerspiele zu halten pflegten; gegen Osten des Hofes ringsum ein prächtiger Eichenwald, in welchem Tausende von Ackerraben ihren horstenden Wohnsitz zu haben pflegten; ein Viertelstündchen weiter der größere Wald Krewe.“
Bis 1776 wohnte Ernst Moritz Arndt in seinem Geburtshaus, dann schrieb er in Bezug auf seinen Vater, „zog der Inspektor Arndt von Schoritz ab, eine halbe Stunde weiter und ward nun sein eigener unabhängiger Herr.“
Das Gutshaus blieb ein Zweckbau als Verwaltungs- und Wohnsitz seiner Inspektoren und Pächter. 1905 wird die neuerliche Verpachtung der Rittergüter Groß Schoritz und Silmenitz an den Meistbietenden durch die fürstliche Kanzlei in Putbus bekannt. Den Zuschlag erhielt der Landwirt Weißenborn jun. aus Loissin für 25.700 Mark. Seine Pacht über das Gutshaus und 2.200 Morgen Land begann 1906. Zwei Jahre später heiratete er seine Frau Ilse. Sie hinterließ uns eine der vielen Geschichten zum Arndt-Geburtshaus. Zur Entstehung der Gedenktafel schrieb sie als 70jährige: „Eines Tages kam ein Österreicher und sagte: ‚Ich möchte gern das Geburtshaus unseres größten deutschen Dichters sehen – Wo ist hier ein Denkmal – Oder eine Gedenktafel? Nichts! Das ist ja traurig.’ Als er im Arndt-Zimmer stand, überreichte er mir 3 Mark und sagte: ‚Bitte sammeln Sie für eine Gedenktafel – dies soll der Anfang sein.’ Und so fing ich an zu sammeln. Bei Festen, wenn Gäste kamen, immer hatte ich einen Sammelteller dabei.“ Nachdem das Sammeln der Spenden etwas einschlief, wurde durch einen Aufruf in Zeitungen noch einmal eine große Anteilnahme erzielt. Letztlich kamen 1.431,49 Mark zusammen und so konnte der Bildhauer Carl Brasch aus Berlin-Charlottenburg schließlich mit der Schaffung eines Reliefs in Bronze beauftragt werden. An einem sonnigen 18. Oktober 1913 wurde die Bronzetafel an dem Haus – gemeinsam mit über 500 Gästen – feierlich eingeweiht.  Doch machen wir einen kleinen Zeitensprung: Im Jahre 1963 befindet sich im Innern des Hauptgebäudes bereits ein Arndt-Gedenkzimmer. Hier hängen fünf Porträts von Arndts Verwandten, zwei Bilder der Großeltern (1780) und die Bilder der Eltern (1820) sowie eines weiteren Verwandten (1840).
Anlässlich des 200. Geburtstages soll das Geburtshaus von Arndt renoviert werden. Den Auftrag dafür bekommt 1967 die PGH „Auf- und Ausbau“ in Garz. Während Fassade und Treppengeländer im alten Stil erhalten bleiben sollen, will man im Zuge der Arbeiten auch die Tafel mit dem Arndt-Porträt entrosten.
Dann ist es endlich soweit. Zum 200. Geburtstag Ernst Moritz Arndts steht auch sein Geburtshaus wieder im öffentlichen Interesse. Es riecht nach Farbe und Handwerker haben Fußböden verlegt. Neben einer Gemeindeschwesternstation, Küche und Speisesaal mit neuen unausgepackten Stühlen und einem Kulturraum der LPG, die auch den Namen „Ernst Moritz Arndt“ trägt. Im Vorraum eine Vitrine mit Bildnissen, Faksimiles von Briefen und ein Buch jenes Mannes, der vor 200 Jahren hier seinen Lebensweg begann.   
Und so gibt es immer wieder Impulse zum Werterhalt des Hauses und zur Bewahrung der Erinnerung an den Rüganer. Schon bald verbindet sich die Rettung des Gutshauses vor dem Verfall auch mit dem Namen von Maria Pakulla, einem der Gründungsmitglieder der Arndt-Gesellschaft. 1997 begann sie in Groß Schoritz – unterstützt von dem damaligen Bürgermeister und LPG-Vorsitzenden – eine langwierige und oft komplizierte Restaurierung des Gutshauses.
Im ersten Bauabschnitt werden die Außenwände neu verputzt und wieder mit einem weiß gekalkten Farbton versehen. Auch das Dach wird repariert. Nach einer Unterbrechung können die Arbeiten 1999 fortgesetzt und abgeschlossen werden.
Auch die Innenräume werden einer Renovierung unterzogen. Dabei kommt mancher Schatz zu Tage. Reste alter Tapeten, Deckenbemalungen und Kacheln geben Einblick in die Geschichte des Hauses. Im August 1999 kommt es dann endlich zur Neugestaltung des Saales.
Der betriebene Aufwand ist enorm – die freiwilligen Leistungen gewaltig. Und: Im Jahr 2000 belief sich die Summe der Spendengelder für die schrittweise Rekonstruktion bereits auf stattliche 470.000 Mark. 2001 konnte im linken Flügel auch das so genannte Arndt-Zimmer mit historischen Möbeln aus Liddow neu eingerichtet werden. Ein historischer Schrank ist der Anfang für eine erste kleine Bibliothek.
2003 stellt die Wochenzeitung „Rüganer“ in seinem Artikel „Die Einweihung der Arndt-Gedenkstätte im Jahr 1913“ fest: „Dabei wurde auch daran erinnert, dass die Bemühungen von Ilse Weissenborn und Prof. Loebe durch Menschen wie Maria Pakulla und Prof. Tietz eine Fortsetzung gefunden haben. So gelang es mit einigen großen und vielen kleinen Spenden aus ganz Deutschland sowie dem Engagement von vielen Akteuren in Groß Schoritz das Arndt-Geburtshaus zu restaurieren.“
Gespannt blicken wir heute nach Groß Schoritz in der Hoffnung, dass nun auch der Park – und damit das direkte Umfeld des Geburtshauses – eine würdige Neugestaltung erhält. Die Grundlagen hat man dafür bereits in dem Treffpunkt für Kultur- und Geschichtsinteressierte gelegt.